Somalia aktuell
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„Draußen ist Freiheit… Eine deutsche Nachkriegsbiographie“

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1964/65 trampte der damals 20jährige Björn Pätzoldt quer durch den afrikanischen Kontinent. In Tansania lernte er einen britischen Diplomaten kennen, der ihn zu einem kurzen Trip nach Mogadishu, Somalia, einlud und ihn in die verworrene Geschichte dieses Landes einführte.
Einfühlsam und spannend wird diese Begegnung in der unter dem Pseudonym NANDINDA verfassten Autobiographie „Draußen ist Freiheit… Eine deutsche Nachkriegsbiographie“ (Deutsche Literaturgesellschaft, Berlin 2009) geschildert:


„Eine zusammengeflickte Nation“

„Hast du noch etwas Zeit für eine Exkursion?“, fragte mich der britische Diplomat.

„Wohin?“

„Nach Mogadishu. Ich fliege in diplomatischen Diensten übermorgen dorthin und bleine ein paar Tage. Ich könnte dich mitnehmen in unserer Maschine.“

„Danke, ja!“

Ich wusste über Mogadishu nichts. Hatte von dieser Stadt noch nie gehört. Wollte mich geistig rüsten für den Ausflug in das mir unbekannte Land und stellte Fragen über Fragen.

„Sag mir, was ist das für ein Land?“

Der Diplomat nahm mich an den Arm und führte mich in seinem Büro zu einer Landkarte an der Wand, strich mit dem Finger über das Horn von Afrika, das in den Golf von Aden hineinragt und sagte: „Mogadishu ist die Hauptstadt von Somalia. A patchwork-nation!“

„Eine was...?“

„Eine zusammengeflickte Nation. Dieses Land ist kein Staat. Dort herrschen Clans, die nichts außer Feindschaft miteinander verbindet. Diese ganze Region hier war schon immer umkämpft und zerstritten. Vor über tausend Jahren nahmen die Araber dieses Gebiet als Kolonie, dann kamen die Portugiesen, dann der Sultan von Oman und Sansibar. Der verpachtete Mogadishu an Italien, so entstand die Kolonie Italienisch-Somaliland.“

Der Finger des Diplomaten streifte weiter nordwestlich an Golf von Aden entlang: „Hier, dieses Stückchen war früher
Britisch-Somaliland. Davor gehörte es zu Ägypten. Und das da...“, er überschlug sich vor Eifer, „...am Ausgang des Roten Meeres, das ist Französisch-Somaliland.“

„Wie viele Somaliländer gibt es denn überhaupt?“

„Noch eins“, ergänzte der Brite. Sein Finger rutschte ein paar Zentimeter nach rechts unten: „Da, wo Ogaden steht, das ist Äthiopisch-Somaliland. Da ist gerade Krieg. Somalia beansprucht dieses Gebiet.“

„Fahren wir da etwa hin?“

„Nein, zu gefährlich. Wir bleiben in Mogadishu.“

„Ist Somalia ein unabhängiger Staat?“

„Na ja, unabhängig... Nun gut, sie sind seit fünf Jahren formell souverän. Aber ein richtiger Staat ist das nicht. Ich sagte je schon, da herrschen die Clans...“

„Gibt es denn so viele zerstrittene Völker?“

„Nun, das ist ja das Eigentümliche: Somalia ist der einzige Staat im mittleren und südlichen Afrika mit einem einheitlichen Volk. Das sind die Kuschiten, die sich früher mit arabischen und persischenHändlern vermischten. Eine arabisch-persisch-somalische Kultur verbindet eigentlich dieses Volk. Ein paar Bantustämme gibt es auch, die bilden aber die Minderheit...“

(Leicht geänderter Textauszug aus: Nandinda, „Draußen ist Freiheit… Eine deutsche Nachkriegsbiographie“, Deutsche Literaturgesellschaft, Berlin 2009)
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors Dr. Björn Pätzoldt


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