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Kommentar: Kein Frieden für Somalia?

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von Dipl.-Pol. Abdirizak Sheikh und Dipl.-Pol. Mathias Weber

Seit dem Sturz des Präsidenten Siad Barres im Jahre 1991 herrscht das Chaos in Somalia. Es existieren keine staatlichen Strukturen mehr, die das öffentliche Leben organisieren könnten. Stattdessen herrschen lokale Clanführer oder islamische Gruppen, die mit Waffengewalt ihren jeweiligen Herrschaftsbereich absichern. Die UNO sowie die USA und ihre Verbündeten engagierten sich in Somalia, um den Bürgerkrieg zu beenden und eine staatliche Ordnung herzustellen. Alle diese Versuche endeten jedoch in einem Desaster. In den letzten Jahren fanden außerdem unzählige Friedenskonferenzen statt, um eine Einigung bei den Clans herbeizuführen. Aber auch diese Friedensinitiativen scheiterten. Auch die derzeit aktuelle Regierung wird wohl nicht in der Lage sein, das Land zu befrieden und zu regieren. Es stellt sich die Frage:

"Warum gibt es keinen Frieden für Somalia?"

Somalia befindet sich im Spannungsfeld zwischen der Tradition und der modernen Welt. Früher wurden Konflikte zwischen den Clans von den Clanältesten unter dem Palaverbaum so lange ausdiskutiert, bis eine Lösung gefunden wurde. An diese Vereinbarungen fühlten sich alle beteiligten Gruppen gebunden. Heute werden die Clanältesten oftmals nicht mehr respektiert. Nun hat derjenige das Sagen, der Geld und Waffen hat und sich gewaltsam durchsetzt. Das Gemeinwohl steht nicht mehr im Vordergrund, sondern der eigene Vorteil. Hinzu kommt, dass islamische Gruppen ihre extremistischen Ideologien verbreiten und durchsetzen, auch gegen Clan-Älteste, die das nicht akzeptieren möchten. Diese werden einfach als „unislamisch“ und als „Ungläubige“ diffamiert.

Auch schon unter dem Diktator Siad Barre waren die traditionellen Strukturen nicht mehr intakt. Durch sein brutales Vorgehen gegen Kritiker traten die vielfachen Konflikte aber nicht zu Tage. Dies alles brach auf, als seine Macht in sich zusammen fiel. Die Warlords bestimmten daraufhin das Geschehen und kämpften in wechselnden Allianzen gegeneinander. Die Bevölkerung geriet dabei immer wieder zwischen die Fronten und orientierte sich nach der eigenen Clanzugehörigkeit. Das Bemühen nach einer Konfliktlösung steckt in einem Dilemma: Beteiligt man nicht alle Clans und deren Warlords an einer Lösung, sind neue Konflikte vorprogrammiert. Andererseits ist es fraglich, ob gerade diese Personen, die sich seit Jahren bekriegen, sinnvoll zu einer Friedenslösung beitragen können. Tatsache ist, dass die Warlords an der jetzigen Situation gut verdienen. Mangels eines Steuersystems müssen keine Abgaben bezahlt werden und jeder kann in seinem Machtbereich tun, was er will. Eine zentrale Regierung wäre gezwungen, staatliche Interessen gewaltsam durchzusetzen und dem Treiben der Warlords zumindest langfristig ein Ende zu setzen. Aufgrund der Clanorientierung der Menschen ist eine Demokratisierung nach westlichem Muster nur schwer vorstellbar. Die kleineren Clans, die bei eventuellen Wahlen unterlegen sein würden, könnten dann wieder zu den Waffen greifen. Die Idee eines Zentralstaates, der das gesellschaftliche Leben organisiert und regelt, kommt von Außen und entspricht nicht der traditionellen Kultur in Somalia. Denkbar wäre wohl eher ein föderaler Staat, der den einzelnen Clans möglichst viel Autonomie zubilligen würde und sich aus Vertretern der einzelnen Gebiete zusammensetzt. Aber auch diese Lösung wäre nur äußerst schwer umzusetzen, da die Aufteilung der Gebiete auch wieder zu Auseinandersetzungen führen könnte.

Das Hauptproblem des Konfliktes in Somalia ist, dass die Bevölkerung nach Clanzugehörigkeit aufgespalten ist, die alten Traditionen und Regeln der Clangesellschaft aber gleichzeitig nicht mehr gelten. Somalia hat nur eine Zukunft, wenn das Clansystem bei einer Konfliktlösung ausreichend berücksichtigt wird und alle gesellschaftlichen Gruppen – inklusive der moderaten islamischen Strömungen – beteiligt werden.


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