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Der UNO-Einsatz in Somalia

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Mit dem Ziel, die Hungersnot in Somalia zu beenden, wurde die UNO in Somalia aktiv. Es entwickelte sich daraus ein traditioneller Peacekeeping-Einsatz, allerdings in Verbindung mit Zwangsmaßnahmen.

Seit 1980 war das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) in Somalia aktiv. Es koordinierte die Hilfe für die Flüchtlinge, die nach dem Ogaden-Krieg Zuflucht in Somalia gesucht hatten. 1989 wurde dieses Hilfsprogramm im Norden wegen des Bürgerkriegs eingestellt und alle Flüchtlingslager aufgelöst. Damit fiel ein stabilisierender Faktor weg. 1990 stellten auch alle anderen UNO-Organisationen ihre Tätigkeiten ein. Im Januar 1991 evakuierte die UNO ihren noch verbliebenen Stab ins benachbarte Kenia. Danach waren in Somalia nur noch Nichtregierungsorganisationen (NGO's) aktiv.

Ausländische Vermittlungsversuche in dem innersomalischen Konflikt gab es erst seit 1990. Die Regierungen von Italien, Ägypten und Dschibuti versuchten, eine friedliche Lösung zu erreichen. Auch die Interimregierung des Nachbarlandes Äthiopien und die provisorische Regierung von Eritrea wollten im Juni 1991 vermitteln. Die UNO schaltete sich erst Ende 1991 in den Konflikt ein, nachdem die OAU und die Arabische Liga um Vermittlung baten. Zudem hatten die drei Regierungen von Ägypten, Italien und Saudi Arabien die UNO aufgefordert, sich mit Somalia zu befassen.

Am 23.1.1992 wurde durch den Sicherheitsrat der UNO die erste Resolution (Nr.733) zu Somalia verabschiedet. Allerdings beruhte diese nur auf Appellen an die Kriegsparteien, die Kämpfe zu beenden, und Absichtserklärungen, das Geschehen im Auge zu behalten und nach Eintreten einer Waffenruhe humanitäre Hilfe zu entsenden. Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Appelle wurden nicht angedroht, aber ein Waffenembargo verhängt. Dieser Resolution ging ein Brief des "Premierministers" Omer Arteh Ghalib der "Interimsregierung" vom 11.1.1992 voraus, der an den Sicherheitsrat gerichtet war. Ghalib forderte darin den Sicherheitsrat auf, ein Programm auszuarbeiten, das die Kämpfe beenden und zur Schaffung von Frieden und Stabilität in Somalia beitragen sollte.

In der Resolution 733 wird dann auch direkt auf den Antrag Somalias auf die Behandlung der Situation in Somalia Bezug genommen. Indirekt hat der Sicherheitsrat damit die Interimsregierung anerkannt und gebilligt, dass diese den Staat Somalia vertritt, denn nur ein UNO-Mitgliedsstaat kann einen Antrag im Rat stellen.

Aufbauend auf der Resolution 688 stellte der Sicherheitsrat die dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage in Kontext zu den Auswirkungen auf die Stabilität und den Frieden in der Region. Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass dies eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit sei. Mit dieser Erklärung wurde das Kapitel VII der UNO-Charta neu interpretiert. Nicht mehr nur bei zwischen-staatlichen Konflikten sah sich der Sicherheitsrat für zuständig, wie dies seit der Gründung der UNO üblich war, sondern die Zuständigkeit wurde auch auf innerstaatliche Konflikte -also Bürgerkriege- ausgeweitet. Damit mischte sich der Sicherheitsrat in die innere Angelegenheiten eines Staates (wenn auch eines sich in der Auflösung befindenden) ein. Die innere Situation Somalias wurde als alleiniger Grund für die Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit bezeichnet.

Trotz der anhaltenden Kämpfe in Mogadischu nahm die UNO die Nothilfe für die Hauptstadt wieder auf. Der damalige UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar beauftragte in einem Schreiben vom 27.12.1991 fünf Mitarbeiter der UNO, Verhandlungen in Mogadischu zu führen, um ein Ende des Bürgerkriegs zu erreichen. Diese Verhandlungsdelegation traf im Januar 1992 in Mogadischu ein. Der Gruppe gehörten unter anderem der stellvertretende UNO-Generalsekretär James Jonah und Mitarbeiter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramms an. Doch kam die Ernüchterung bereits nach dem ersten Gespräch: General Farrah Aidid lehnte jede "fremde Einmischung in USC-Angelegenheiten ab". Diese schroffe Ablehnung resultierte daraus, dass der UNO-Gesandte Jonah von vorne herein Ali Mahdi als den rechtmäßigen Interims-Präsidenten Somalias akzeptierte, obwohl ihn der Großteil des somalischen Volkes und die Völkergemeinschaft nicht anerkannte. Aidid befürchtete eine Stärkung der Position Mahdis durch die Stationierung der UNO-Truppen, denn er erhoffte sich, in absehbarer Zeit die Milizen Mahdis bezwingen zu können, da diese nur den kleinen Stadtteil Karan im Norden Mogadischus kontrollierten. Ali Mahdi hingegen wünschte sich die Stationierung von UNO-Friedenstruppen.

Diese Gespräche waren der erste Versuch der UNO, sich an einer politischen Lösung des innersomalischen Konflikts zu beteiligen. Die Jonah-Mission scheiterte, und er musste mit leeren Händen zurückkehren. Jonah bezweifelte, dass das vom Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo gegen Somalia Wirkung zeigen werde, da die 3.500 Küstenkilometer und die 2.500 Landkilometer nicht zu kontrollieren seien. Zudem befänden sich aus der Erbschaft der Barre-Diktatur noch unzählige Waffen im Land.

Derweil verschärfte sich die Lage in Mogadischu. Die Kämpfe weiteten sich aus und immer mehr Menschen verhungerten, obwohl im Hafen seit Wochen 9.000 Tonnen Hilfsgüter lagerten, die aber nicht ausgeliefert werden konnten. James Jonah schlug vor, ein 500 Mann starkes italienisches Sicherheitsbataillon nach Mogadischu zu schicken, um die ausländischen Hilfsorganisationen und ihre Mitarbeiter bei ihrer Arbeit vor Überfällen zu schützen. Sie sollten die Transporte auf dem Weg vom Hafen ins Innere der Stadt und ins Hinterland begleiten. Dort waren mehr als 70.000 Menschen zu versorgen. Doch lehnte der Sicherheitsrat diesen Vorschlag ab und plante stattdessen, je 50 Blauhelme bei Mahdi und Aidid zu stationieren.

Am 14.2.1992 verpflichteten sich beide Konfliktparteien bei der UNO in New York in getrennten Gesprächen zu einer Waffenruhe und zur schnellen Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens. Der Generalsekretär betonte, dass diese Verhandlungen nicht bedeuteten, dass man eine Kriegspartei anerkenne, vielmehr sei die UNO unparteiisch. Doch durch die Reduzierung der Verhandlungen auf die beiden größten Konfliktparteien wurden die anderen Gruppierungen, die ebenfalls maßgeblich an den bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt waren, vernachlässigt.

Währenddessen gingen die Kämpfe in Mogadischu weiter und verschärften sich sogar noch, denn General Aidid verfolgte eine Doppelstrategie: Verhandlungen mit der UNO, aber gleichzeitige Offensive gegen seinen Rivalen Mahdi.

Zwischen dem 29.2. und 3.3.1992 wurden die Verhandlungen in Mogadischu unter Leitung von James Jonah fortgesetzt und ein Waffenstillstand ausgehandelt, der auch einigermaßen eingehalten wurde. Nach langwierigen Verhandlungen unterzeichneten beide Seiten am 3.3.1992 eine Einverständniserklärung über die Entsendung von Militärbeobachtern in Zivilkleidung. Daraufhin beschloss der UNO-Sicherheitsrat eine Entsendung von 50 UNO-Beobachtern in die Hauptstadt Mogadischu, die den Waffenstillstand überwachen sollten.

Die Resolution 746 vom 17.3.1992 bekräftigte noch einmal die Resolution 733. Alle Bürgerkriegsgruppierungen wurden aufgefordert, die Sicherheit des technischen Teams und des Personals der humanitären Organisationen zu respektieren und ihnen volle Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Der Generalsekretär wurde zudem beauftragt, sich weiterhin darum zu bemühen, eine nationale Versöhnungskonferenz mit allen Gruppierungen zu vereinbaren. Der UNO-Generalsekretär legte in Reaktion auf diese Resolution einen 90-Tage-Aktionsplan vor, der eine beschleunigte Verteilung von humanitären Hilfsgütern sicherstellen sollte. Es wurde auf die wieder aufgeflammten Kämpfe zwischen den Anhängern von Mahdi und Aidid verwiesen. Die UNO-Sonderorganisationen, das Rote Kreuz und andere NGO's sollten Hilfsgüter verteilen. Der Generalsekretär forderte die Entsendung von Truppen zur Überwachung des Waffenstillstandes, welche auch die Aufgabe hatten, die Hilfstransporte zu bewachen und zu verteidigen.

Den folgenden UNO-Einsatz können Sie in dem Buch "Der UNO-Einsatz in Somalia – Die Problematik einer humanitären Intervention" nachlesen.

Autor: Dipl.-Pol. Mathias Weber.
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