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Bücher - Der UNO-Einsatz in Somalia

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Der UNO-Einsatz in Somalia

Einleitung

1.1. Problemfeld

Am 26.6.1945 wurde die Charta der Vereinten Nationen1 in San Francisco (USA) feierlich unterzeichnet. Die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit wurde darin zur Hauptaufgabe der UNO erklärt. Mit Hilfe der aus der Praxis gewonnenen Erfahrungen entwickelte sich für die Bewältigung staatlicher Konflikte durch die UNO das Peacekeeping.

Grundlegendes Ziel des Peacekeeping war es, eine Einigung der Konfliktparteien zu erzielen, ohne auf die Anwendung von Waffengewalt zurückgreifen zu müssen. Im Laufe des 50-jährigen Bestehens der UNO erzielten die von ihr in diesem Sinne erlassenen Maßnahmen durchaus beachtenswerte Erfolge bei der Eindämmung zwischenstaatlicher Konflikte.2

Mit dem Zusammenbruch des bipolaren Ordnungsgefüges der beiden Supermächte und ihrer Verbündeten befindet sich die Welt in einem Zustand fundamentaler Umbrüche. Zum einen treten Konfliktpotentiale auf, die während der kalten Konfrontation unterdrückt wurden. Die Mehrzahl dieser Konflikte wird nicht mehr auf der zwischen-, sondern auf der rein innerstaatlichen Ebene ausgetragen.3

Zum anderen wurde der Sicherheitsrat durch die Aufgabe der Blockadepolitik der Großmächte handlungsfähiger. Die UNO ist heute (im Gegensatz zu den friedenserhaltenden Operationen vergangener Tage) in der Lage, entwicklungspolitische, humanitäre, soziale sowie ökologische Aspekte bei der Beurteilung solcher Konfliktlagen miteinzubeziehen.

Um den wachsenden Anforderungen nachzukommen, die sich aufgrund der neuen weltpolitischen Verhältnisse stellen, beauftragte der UNO-Sicherheitsrat den damaligen Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali zur Ausarbeitung eines Konzepts für die Bewältigung zukünftiger Konflikte. Im Juni 1992 legte Boutros-Ghali ein sechzig Vorschläge umfassendes Dokument vor: Die Agenda für den Frieden.4 In diesem Bericht analysiert der ehemalige Generalsekretär die jüngsten Ereignisse, welche den Weltfrieden und die internationale Sicherheit beeinträchtigt haben. Er macht Vorschläge für einen umfassenderen Lösungsansatz zur Bewältigung der jeweiligen Konfliktlage. Grundlegendste Neuerung im Rahmen der Friedenssicherung der UNO ist die Ausweitung ihres Aufgabenbereichs auf die Friedenserzwingung (Peaceenforcement). Durch Friedenserzwingung sollen die Friedenstruppen unter direktem UNO-Kommando ermächtigt werden, die Befriedung eines Konfliktherdes notfalls durch Gewaltanwendung zu erreichen.

Im Verlauf der humanitären Intervention der UNO in Somalia wurden erstmals in der Geschichte Blauhelmsoldaten ermächtigt, zur Durchsetzung ihres Mandats Waffengewalt einzusetzen.5

Begonnen hatte dieser Einsatz noch in Form einer traditionellen Peacekeeping-Operation. Bald stellte sich jedoch heraus, daß die Blauhelmsoldaten mit diesem Mandat keinen ausreichenden Beitrag zur Verbesserung der humanitären Situation leisten konnten. Zusätzlich verstärkte sich durch die massive Medienberichterstattung der Druck auf die UNO, entschlossener als zuvor in Somalia vorzugehen.

Trotz dieses umfassenden Einsatzes und der Verwendung von Elementen des Zwangs konnte die UNO nicht alle ihre Ziele in Somalia erreichen. So vermochte es die geballte Militärmacht der UNO-Streitkräfte nicht, Somalia und die Hauptstadt Mogadischu militärisch und politisch zu befrieden. Nach wie vor durchziehen bewaffnete Gruppen das Land und verhindern ein geregeltes Leben für die Bevölkerung.6 Somalia ist seit dem Abzug der UNO und der Hilfsorganisationen wieder sich selbst überlassen und setzt seinen inneren Zerstörungsprozeß fort. Der Bürgerkrieg konnte nicht beendet werden.

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1 In Folge UNO (United Nations Organisation) genannt.
2 Siehe: Debiel, Tobias: Kriegerische Konflikte, friedliche Streitbeilegung und die Vereinten Nationen, S.11 ff..
3 Vgl. auch: Kühne, Winrich: Die Vereinten Nationen in einer turbulenten Welt: Neue Wege der Friedenssicherung, S.470.
4 Kanninen, Tapio: Agenda für den Frieden, S.15.
5 Eine Ausnahme gibt es: Während des ONUC-Einsatzes im Kongo in den sechziger Jahren, wurden den UNO-Truppen erlaubt, Waffen zur Durchsetzung ihres Auftrages und nicht nur zur Selbstverteidigung einzusetzen. Dies blieb jedoch ein Einzelfall. Siehe: Keil, Imke; Lobner, Sabine: UNO - Weltpolizei auf dem Prüfstand, S.33.
6 So berichtet die Süddeutsche Zeitung am 18.12.1996 von neuen Granatengriffen in Mogadischu, S.9. Auch der Tod von Aidid - einer der Hauptakteure des Bürgerkriegs in Somalia - hat nicht zu einer Beendigung des Konflikts beigetragen.


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