• Aktuelle Meldung vom 24.08.2012:

    Neues Parlament und neuer Staatschef in Somalia gewählt

    von Mathias Weber
    Somalia-Experte Abdirizak SheikhAm 20.08.2012 wurde ein neues Parlament und neuer Staatschef in Somalia gewählt. Ebenso wurde am 01.08.2012 eine neue Verfassung verabschiedet. Über die aktuelle Entwicklung hat der Somalia-Experte Abdirizak Sheikh (siehe Bild rechts) heute.de ein Interview gegeben. Dieses Interview können Sie hier nachlesen:

    Armut und Bürgerkrieg: Somalia hatte mehr als 20 Jahre lang keine Regierung. Heute sollte ein Parlament bestimmt und ein Staatschef gewählt werden. Doch die Wahl wird sich nach ZDF-Informationen wohl um einige Tage verschieben. Der in Somalia geborene Politologe Abdirizak Sheikh erklärt im heute.de-Interview, warum er trotz Wahl wenig Hoffnung auf Frieden hat.

    heute.de: Heute endet das Mandat der von der internationalen Gemeinschaft unterstützten Übergangsregierung in Somalia. Mit der Wahl von Parlament und Staatschef sollen Grundlagen für feste staatliche Strukturen gelegt werden. Sind das Aussichten auf Frieden nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg?

    Abdirizak Sheikh: Die somalische Bevölkerung hofft darauf, dass die neue Regierung Erfolg hat. Ich glaube aber noch nicht daran. Weite Teile des Landes sind in der Hand lokaler Clans und von Al-Schabaab-Milizen. Die Clans sind jetzt auch an der Regierungsbildung beteiligt und streiten sich um die Macht. Es werden sich einige Clans vernachlässigt fühlen und auch das kann zu Konflikten führen. Es ist einfach so, dass in Somalia die Clan-Zugehörigkeit mehr zählt als der Staat.

    heute.de: Geplant ist, aus Somalia eine Bundesrepublik zu machen. Dieser neue Bundesstaat will sich eine Rechtsform geben, die sich "an den Prinzipien der Scharia", also am islamischen Recht, orientiert. Was heißt das genau?

    Sheikh: In der neuen Verfassung, die am 1. August 2012 verabschiedet wurde, steht, dass es islamische und moderne Rechtsleitlinien gibt. Die einen sagen, Somalia ist ein Gottesstaat und ein islamisches Land, also müsse man auch den Lehren des Islams folgen. Die anderen möchten eine moderne Verfassung. Gestritten wird zum Beispiel über die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Den islamischen Konservativen geht das zu weit.

    heute.de: Fest steht aber, dass die Frauen eine stärkere Rolle im öffentlichen Leben bekommen sollen ...

    Sheikh: Die Frauen haben auf einer Garantie bestanden, auch im Parlament beteiligt zu werden. Dies wurde in der Verfassung berücksichtigt. Konkret sind laut Verfassung nun 30 Prozent der Sitze im Parlament für die Frauen vorgesehen. Das ist für die Frauen dort eine enorme Entwicklung!

    heute.de: Die Übergangsregierung Somalias ist international anerkannt und repräsentiert das Land in den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga und anderen internationalen Organisationen. Wie wird es jetzt im internationalen Gefüge weiter gehen mit Präsident und Parlament?

    Sheikh: Ich hoffe, dass UNO, EU, Afrikanische Union und Arabische Liga die gewählte Regierung unterstützen werden. Ausländische Soldaten müssen weiterhin für Stabilität sorgen. Es müssen erst einmal in Somalia wieder staatliche Strukturen aufgebaut werden. Sehr wichtig ist, dass die Sicherheit durch neue Polizei- und Militäreinheiten gewährleistet wird. Aber auch wirtschaftlich muss dort Unterstützung von außen kommen, damit die Infrastruktur wieder aufgebaut werden kann. Es mangelt auch noch an medizinischer Versorgung, es gab ja 22 Jahre lang fast nichts.

    heute.de: Somalia gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Vor der Küste ist die Piraterie ein großes Problem, die das Land nicht in den Griff bekommen konnte, weil staatliche Strukturen fehlten. Wird sich das nun ändern?

    Sheikh: Ja, ich denke bei der Piraterie wird sich was ändern. Es wird bestimmt eine Marine aufgebaut. Andere Nationen haben die unbewachten Gewässer ausgenutzt, um dort Müll zu verklappen und die Fischbestände wegzufischen. Dies muss durch die neue Regierung unterbunden werden.

    heute.de: Die Frage ist, ob es eine Regierung geben wird, die auch stark genug ist. Sehen Sie die Verfassung in Gefahr?

    Sheikh: Sie ist nicht endgültig. Ich sehe die Gefahr, dass Clan-Konflikte ausbrechen. Die Verfassung muss noch geändert werden. Beim Festlegen der Verfassung haben die somalischen Führer Punkte ausgeklammert, die zu Konflikten und keiner Einigung geführt hätten, damit es nun zu einer Parlamentswahl kommen kann. Ausgeklammert haben sie zum Beispiel die Hauptstadtfrage. Die einen wollen Mogadischu, die anderen sehen nicht ein, dorthin zu fahren und plädieren für ein föderales System.

    heute.de: Offenbar hat sich die radikal-islamische Organisation Al-Schabaab dem Terrornetzwerk Al-Kaida angeschlossen. Wird die neue Regierung da für Aufklärung sorgen und dagegen arbeiten können?

    Sheikh: Es ist ja teilweise so, dass die Jugendlichen von Al Schabaab einer Gehirnwäsche unterzogen und zwangsrekrutiert wurden. Bisher wurden die Al-Schabaab-Milizen nicht besiegt. Aber eine neue Regierung kann den Jugendlichen Arbeit und eine Zukunft geben und sie so davon abhalten, sich dieser Miliz anzuschließen.

    Das Interview führte Melanie Trimborn.

    Quelle: http://www.heute.de/ZDF/zdfportal/web/heute-Nachrichten/4672/23923762/499943/Der-Clan-zählt-mehr-als-der-Staat.html

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Im Land der Piraten
08.02.2013 SPIEGEL.TV

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